Die Leidenschaft der wilden Frau

 

Wenn La Chana tanzt, dann beben nicht nur ihre Füße und ihr Körper, dann bebt die ganze Welt. Denn wenn La Chana tanzt, dann mit purer Leidenschaft und lodernder Inbrunst. Und mit fast unmenschlicher Kraft und Ausdauer. Sie ist die Königin des Flamencos, die Schnellste, die Stärkste, die Beste. Das klingt nach übertriebener Lobhudelei, doch ein Auftritt von ihr genügt und man weiß, dass es stimmt. Auf dem Tanzparkett ist sie eine wilde Frau, unabhängig, stolz und mächtig. Und genau so beginnt Lucija Stojevics prämierter Dokumentarfilm Mein Leben – Ein Tanz. Mit einem Tanz, der das Publikum sofort mit Leidenschaft, Schönheit und Kraft überwältigt. Doch die wilde Frau des Flamencos hat große Verluste erlitten – und von ihnen erzählt Stojevic in ihrem zarten Film.

La Chana bedeutet „die Weise“ in caló, der Sprache der spanischen Gitanos (Roma vom Stamme der Kalé), die den Flamenco in Spanien bis heute stark beeinflussen und dominieren. Schon als Kind wusste La Chana, die eigentlich Antonia heißt, dass sie Tänzerin werden will. Nicht die Rumba, die damals, Anfang der 1950er Jahre in aller Munde war, war es, die ihre Leidenschaft auflodern ließ, sondern der Flamenco. Und sie war begabt. Sehr begabt. Bis heute kann niemand so schnell die Füße bewegen und so viele polymorphe Rhythmen gleichzeitig bedienen wie La Chana. Ihre Schnelligkeit und Kraft wurden nur getoppt von ihrem außergewöhnlichen Talent, sich so in den Rhythmus fallen zu lassen, dass sie niemals Choreographien einüben musste. Wenn La Chana tanzt, dann aus der eigenen Seele heraus, immer improvisiert, immer aus Leidenschaft. Doch zur Leidenschaft gehört auch das Leiden – und davon hat diese Frau mehr als genug erlebt, wurden sie und ihre Kunst doch in eine Gesellschaft geboren, die sie fast ihr gesamtes Leben lang immer wieder limitiere. Denn Gitana zu sein bedeutet, in eine Großfamilie und Kultur hineingeboren zu sein, in denen nur ein einziger das Sagen hat: der Mann. So war es erst ihr Vater, der ihr das Tanzen verbieten wollte, denn nur „schmutzige Frauen“ stellen sich zur Schau. Doch mithilfe ihres Onkels gelang ihr ein Start und Durchbruch in der Flamenco-Szene. Der Vater allerdings wurde abgelöst von ihrem Ehemann, einem ungestümen Mann, den sie mit nur 18 Jahren nach einer versehentlichen Schwangerschaft heiraten musste. Er war fortan ihr Manager. Und je berühmter sie wurde, desto gewalttätiger wurde er.